Viele unbewusste Prozesse spielen nicht nur im alltäglichen Leben, sondern auch beim Wählen eine große Rolle. So haben z. B. Psychologen in Amerika von 1960 bis 2000 die Stimmen für amerikanische Präsidentschaftskandidaten verglichen und kamen zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass jedes Mal der Kandidat mit der tieferen Stimme gewann. Dies erklärten die Psychologen damit, dass tiefe Stimmen mit Dominanz und einem hohen Testosteronspiegel verbunden werden.

Alexander Todorov, Psychologe an der Universität Princeton, wollte wiederum wissen, welchen Kandidaten die Versuchspersonen vom Aussehen her als kompetenter einschätzen würden. Hier zeigte sich, dass Männer mit „ausgeprägt maskulinen, markanten“ Gesichtern deutlich vorne lagen. Als weniger kompetent bewertet wurden Politiker mit eher „weiblichen“ Zügen, also großen Augen und weichen Gesichtszügen. Auch hier vermutet Todorov, dass ein hoher Testosteronspiegel ausschlaggebend dafür ist, wie kompetent ein Kandidat bewertet wird.

Nun sagen einige, dass es bisher ja nur um männliche Politiker ging. Die Faktoren des Aussehens untersuchte Joan Chai von der Northwestern University auch für Frauen, indem sie ihren Versuchspersonen Fotos von eher unbekannten Politikern und Politikerinnen zeigte und deren Attraktivität bewerten ließ. Anschließend wurden die Favoritenpaare für das Amt des US-Präsidenten ausgewählt, und wirklich entsprach diese Abstimmung dem tatsächlichen Wahlergebnis. Nicht sonderlich überraschend gewannen Politikerinnen, die zuvor eine hohe Punktzahl bei der Bewertung ihrer Attraktivität erhalten hatten.

Abgesehen vom Aussehen spielt außerdem die Macht der Gewohnheit eine Rolle. Der Psychologe Jon Krosnick von der Ohio State University fragte sich, ob Menschen, die bei Fragebögen eher die erstbeste Antwortmöglichkeit ankreuzten, dies auch bei Stimmzetteln tun. Tatsächlich kam Krosnick zu dem Ergebnis, dass die Kandidaten umso besser abschnitten, je weiter oben auf der Liste ihr Name stand. Im Durchschnitt erhielten die Personen weiter oben 2,5% mehr Wählerstimmen. Dieses Ergebnis lässt sich genauso auf die Wahl von Parteien übertragen.

Erstaunlich ist die Forschung von Pelham (State University Buffalo), der durch verschiedene Analysen zu dem Ergebnis kam, dass Menschen Personen bevorzugen, die ihnen ähnlich sind, sei es beim Namen, bei Wohnorten oder Berufen. Allein der Anfangsbuchstabe des Namens reicht aus, um Sympathie zu erzeugen. Als der Forscher Spendenverzeichnisse des Wahlkampfes aus dem Jahr 2000 durchsuchte, erkannte er, dass Amerikaner, deren Nachnamen mit B anfing, besonders häufig Geld an G. Bush spendeten. Der Gegenkandidat Al Gore wurde am ehesten von Amerikanern mit dem Anfangsbuchstaben G finanziell unterstützt.

Stellt sich noch die Frage, ob Wahlprognosen ebenfalls Auswirkung auf den Wähler haben. Die Forscher sind sich bei Meinungsumfragen und Wahlprognosen noch unschlüssig, inwieweit diese den Wähler tatsächlich beeinflussen.

Es gibt viele Unentschlossene, die noch kurz vor der Wahl nicht genau wissen, wen sie wählen werden oder Wähler, die sich nach der Prognose richten und sich für den scheinbaren Gewinner der Wahl entscheiden. Diesen Effekt nennt man „Mitläufereffekt“. Aus diesem Grund dürfen Wahlprognosen und Nachwahlbefragungen am Tag der Wahl vor Schließung der Wahllokale nicht veröffentlicht werden. Sollte dies trotzdem passieren, kann die Wahl sogar angefochten werden.

Ein anderer psychologischer Trick ist es, Parteien bei Umfragen einfach unter die Rubrik „Sonstige“ zu schieben, sodass diese aus dem Blickfeld verschwinden. Somit wird impliziert, dass kleinere Parteien sowieso nicht über die 5%-Hürde kommen werden und eine Stimme an diese Partei eine vergeudete Stimme wäre. So wurden der Piratenpartei in einer Meinungsumfrage einmal über 5% prognostiziert und der FDP knapp 3%. Trotzdem tauchten die Piraten in diesen Umfragen nicht explizit auf, sehr wohl aber die FDP. Auch damit lassen sich Menschen unbewusst beeinflussen.

Es lässt sich also feststellen, dass es nicht so einfach ist, Beeinflussungen zu entgehen, da sich viele Entscheidungen im Unbewussten abspielen. Steht man jedoch sowieso überzeugt hinter einer Partei, können einem auch Wahlprognosen nichts mehr anhaben.

Quelle für die Forschungsergebnisse: Süddeutsche Zeitung